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Aus meinem Tagebuch
Kolumbien I
Autozulassung in Kolumbien
1970 begann ich in Kolumbien als Lehrer zu arbeiten. Meine Aufgabe hier war, eine Deutsche Schule aufzubauen. Ich durfte einen PKW einführen, musste ihn aber nach Beendigung meiner Dienstzeit wieder ausführen. Die Deutsche Botschaft in Bogotá übersandte mir eine Bürgschaftserklärung, in der sie garantierte, dass das Fahrzeug zu gegebener Zeit wieder ausgeführt würde. Ich sollte damit auf das Zollamt in Medellín gehen und würde dort halbdiplomatische Nummernschilder erhalten.
Auf dem Weg zum Zollamt machte ich mir Gedanken, wie ich mit meinem kümmerlichen Spanisch den Beamten mein Anliegen erklären könnte.
11.00 Uhr war es, die Sonne schien, als ich ins Zollamt eintrat, ins Zimmer 13 müsse ich gehen, wie mir der Portier erklärte. Ich war stolz, dass ich seine Anweisung verstanden hatte.
Ich klopfte an die Zimmertür, worauf zunächst einmal nichts geschah, wiederholte mein Klopfen etwas stärker, niemand bat mich herein. Vielleicht machten die Beamten gerade Mittag.
Ich öffnete schließlich die Tür und trat ein und sah drei Männer. Nahe der Tür stand ein Schreibtisch, an dem ein Namensschild „Jaime Ramirez“ angebracht war. Der Tisch war mit irgendwelchen Akten und Papieren überhäuft, eine Zigarette lag in einem fast vollen Aschenbecher und qualmte. Herr Ramirez lag zurückgelehnt auf einem Stuhl und schlief. Die beiden anderen Beamten befanden sich in einer ähnlichen Lage. Der, der ganz hinten im Büro arbeiten sollte, lag auf dem Schreibtisch, Papiere und Akten lagen auf dem Fußboden. Alle schliefen.
Vielleicht hatte ich einen ungünstigen Zeitpunkt für mein Anliegen gewählte, sollte vielleicht ein anderes Mal wieder kommen. Die Beamten könnten sonst eventuell unwirsch reagieren, wenn sie plötzlich aufgeweckt würden, dachte ich.
Ich machte mich also auf den Rückweg, wollte gerade das Büro verlassen, als das Telefon auf dem Schreibtisch von Herrn Ramirez ohrenbetäubend zu schrillen anfing. Die Lautstärke war wohl auf die Arbeitsumstände eingestellt worden.
Herr Ramirez schreckte auf, hob den Telefonhörer ab, nahm stramme Haltung an. Über was gesprochen wurde, konnte ich nicht verstehen, aus seiner Haltung schloss ich, dass ihn ein Vorgesetzter angerufen hatte. Nachdem Herr Ramirez sein Gespräch beendet hatte, legte er den Hörer wieder auf und blickte mich nachdenklich an. Ich hatte mich wieder seinem Schreibtisch genähert. Ich versuchte ihm meine Papiere zu überreichen. Er reagierte zunächst nicht, schaute auf seine Armbanduhr und murmelte etwas vor sich hin.
Dann streckte er doch die Hand aus, nahm meine Papiere in die Hand und las das Schreiben der Botschaft längere Zeit. Ich dachte schon, er sei wieder eingeschlafen, als er plötzlich aufsprang, fluchte und mit meinen Papieren herumschlug und das Feuer zu löschen versuchte, dass durch die liegen gelassene Zigarette auf dem Schreibtisch ausgebrochen war. Das gelang ihm denn auch, meine Papiere waren nur ganz wenig angesengt.
Er setzte sich wieder auf seinen Stuhl, betrachtete meine Papiere, als wenn er sie zum ersten Mal in seinem Leben gesehen hätte, schaute mich dann an, blickte nach oben, als ob er auf eine göttliche Erleuchtung warte.
Selbstverständlich würde man hier Ausländern gerne behilflich sein. Alles würde aber seine Zeit dauern bei der Arbeitsüberlastung, die in diesem Lande bei schlechter Bezahlung herrsche, sagte er. Er zeigte auf seinen überquellenden Schreibtisch, der jetzt allerdings durch den Brand etwas leerer geworden war, zeigte auf seine Mitarbeiter, die ebenfalls aufopferungsvoll arbeiteten, wie er sagte. Sie schliefen immer noch.
Ich möge bitte in 2, nein, besser in 6 Wochen wieder kommen, dann habe man alles zu meiner vollsten Zufriedenheit geregelt.
Nach 6 Wochen betrat ich wieder das Büro Nummer 13, gegen 9.oo Uhr, wollte ich doch nicht auf völlig überarbeitete Beamte treffen.
Inzwischen war ich in Kolumbien mit deutschen Zollnummern herumgefahren, was niemanden gestört hatte.
Es war fast alles wie beim letzten Mal, auf mein Klopfen reagierte niemand. Alle schliefen wieder, der einzige Unterschied war, dass der Mann im Hintergrund jetzt unter dem Tisch lag. Auf dem Schreibtisch von Ramirez qualmte auch keine Zigarette. Ich hüstelte zunächst leise vor mich hin, dann wurde mein Husten immer lauter, es hörte sich zuletzt wie ein Erstickungsanfall an. Ramirez und auch die anderen rührten sich nicht, hatten wohl vergangene Nacht durchgearbeitet. Schließlich wusste ich mir nicht mehr anders zu helfen, ich trat gegen den Schreibtisch von Ramirez.
Er fuhr hoch, schaute mich sprachlos an, fragte mich dann nicht sehr freundlich, was ich hier eigentlich wolle, wie ich dazu käme, seine kostbare Arbeitszeit zu unterbrechen.
Mein Spanisch war immer noch nicht viel besser geworden, ich versuchte ihm zu erklären, dass ich ihm vor 6 Wochen alle notwendigen Papiere für die Zulassung meines Autos übergeben hätte, dass er mir versprochen habe, diese Angelegenheit zu regeln. Nachdenklich strich er sich durch sein zerzaustes Haar, blickte auch wieder nach oben wie beim letzten Mal, schüttelte den Kopf und sagte, er habe mich noch nie in seinem Leben gesehen. Ich müsse mich irren, vielleicht sei ich in einem anderen Büro gewesen.
Ob ich irgendetwas Schriftliches von ihm vorweisen könne, was ich natürlich nicht konnte. Es sei hier üblich, dass man eine Empfangsbestätigung erhalte, sagte er.
Dann stand er mühsam auf, weckte seine beiden Mitarbeiter mit leichten Schwierigkeiten. Auch diese bestätigten, mich noch nie gesehen zu haben, was der Wahrheit entsprach, hatten sie doch beim letzten Mal geschlafen.
Ich solle mich an die deutsche Botschaft in Bogotá wenden, würde von ihnen eine Bürgschaftserklärung erhalten, solle dann wieder kommen. Alles könne dann geregelt werden.
Ich erhielt dann auch von der Botschaft eine neue Bürgschaftserklärung und ein Anschreiben an das Zollamt, wurde daraufhingewiesen, dass ich mir auf jeden Fall eine Empfangsbestätigung ausstellen lassen müsse.
Dieses Mal ging ich erst gegen 17.00 Uhr auf das Zollamt, Kolumbianer hatten mir erklärt, dass dies ein günstiger Zeitpunkt sei, da die Beamten dann wohl etwas erholt seien, sich ausgeschlafen hätten.
Niemand schlief, Herr Ramirez gab mir eine Empfangsbestätigung, in 6 Wochen solle ich wieder kommen, man würde mir dann sogar die Nummernschilder anschrauben.
Als ich dann nach 6 Wochen wieder kam, schlief niemand, es wurde wirklich gearbeitet, auch auf mein Anklopfen war nach mehreren Versuchen reagiert worden, nur Herr Ramirez war nicht mehr da.
Ich zeigte einem anderen Beamten meine Empfangsbestätigung mit der Unterschrift von Herrn Ramirez. Unruhe entstand, auch der Mann aus dem Hintergrund kam herbei. Beide Beamten schüttelten ihre Köpfe, redeten leise miteinander, schauten mich an, als wenn sie einen Wahnsinnigen vor sich hätten. Ein Ramirez habe hier noch nie gearbeitet, sie wären immer nur zu Zweit hier gewesen, ein Irrtum sei ausgeschlossen, wären sie doch schon mehrere Jahre hier.
Ich zeigte auf den Schreibtisch, an dem noch das Namensschild „Ramirez“ war, auch Brandspuren waren noch auf der Tischplatte. Beide Beamten brachen in ein Riesengelächter aus, schlugen sich gegenseitig auf die Schultern und meinten, dass dies ein alter Schreibtisch sei, den sie von irgendwoher erhalten hätten, ein dritter Beamter solle demnächst wegen ihrer Arbeitsüberlastung eingestellt werden, das würde aber sicherlich noch dauern.
Man würde mir aber meinen Irrtum nicht übel nehmen, sei ich doch Ausländer, spräche wenig die christliche Landessprache, ich müsse irgendwo anders gewesen sein. Auch die Unterschrift auf der vorgezeigten Empfangsbestätigung könne man kaum entziffern. Ich müsse eine Bürgschaftserklärung so schnell wie möglich beibringen.
Nach einigen Wochen erhielt ich dann auch von der Botschaft neue Unterlagen, ein Anschreiben vom Generalzollamt in Bogotá war beigefügt mit der Anweisung an den Zoll in Medellín, nun endlich die Zulassung auszuführen.
Ich gab alle Papiere ab, Herr Ramirez war immer noch nicht da, ein anderer Mann saß an seinem Schreibtisch, nahm die Papiere in Empfang und bestätigte ihn.
6 Wochen später erhielt ich dann meine neuen amtlichen Nummern. Anschrauben musste ich sie mir selber.
Fast ein Jahr war vergangen.
Hallo Paolo,
irgendwie drängt sich bei mir das Gefühl auf, dass bei der ganzen Geschichte ein, zwei sehr wichtige Dokumente fehlten, Querformat, gut zehn auf fünf Zentimeter und mit Zahlen bedruckt, die einige Kommastellen beinhalten.
Schmunzelnd gelesen,
Harald
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