Unverhoffte Begegnung
Da saß ich nun im Eiscafé und blätterte gelangweilt zum dritten Mal die F A Z durch. Ein Blick zur Uhr trug auch nicht grade zur Erheiterung bei, denn die Zeit wollte einfach nicht vergehen um an dem magischen Punkt anzukommen, von dem an ich mit der Ankunft meiner Holden rechnen konnte, also eine halbe Stunde nach der verabredeten Zeit. Den auffordernden Blick der Bedienung missachtend nahm ich nur einen Winzeschluck aus der Kaffeetasse und widmete mich wiederum, ganz grosses Interesse heuchelnd, der Zeitungslektüre. Da fiel von hinten ein Schatten über mich, ich faltete sofort die Zeitung zusammen und wandte mich überrascht um, denn mit einem so frühen Eintreffen meiner Frau hatte ich nicht gerechnet. Zu Recht, wie sich nach meinem Aufspringen und Umdrehen herausstellte!
Es lächelte mich eine Dame von ca Siebzig an, zog überrascht die Augenbrauen hoch, umkurvte den Tisch und ließ sich unaufgefordert mir gegenüber nieder. Während ich sie eher aus den Augenwinkeln musterte fiel mir auf, dass ich von ihr, man könnte sagen " durchgescannt " wurde, besonders lange verweilte ihr Blick auf meinen Händen, die völlig ohne (Ehe-)Ring waren. Dieser befand sich, seit ich mir an der Bohrmaschine fast den Finger abgerissen hatte, in der Nachttischschublade meiner Frau. Auch der Versuch, ihn per Goldkettchen an den Mann zu bringen war an meiner rabiaten Art mich der Oberkleidung zu entledigen gescheitert. Ich wirkte mit durchgebräuntem Ringfinger völlig ungebunden.
Die nette Dame lehnte sich zurück und und sprach mich an.
»Hallo, ich bin die Irene und freue mich, ihre Bekanntschaft zu machen, auch wenn Sie mir ein bisschen jung erscheinen.«
Interessant, mit Sechzig als jung bezeichnet zu werden und ohne eine Ahnung wie es weitergehen könnte schaute ich wohl ziemlich verdattert vor mich hin.
»Ich bin ja wohl ein bisschen spät, Sie haben vorhin ja schon ziemlich ungeduldig auf die Uhr geschaut, aber schön, dass Sie so lange ausgehalten haben. Hallo Bedienung, einen Kaffee, ach ja, trinken Sie auch noch einen, dann zwei bitte und mir noch eine Quarkschnitte.«
’Na sowas, jetzt spendiert sie mir auch noch einen Kaffee, sehe ich so ärmlich oder bemitleidenswert aus?’
»Ach ja, nachher können wir einige Schritte durch den Stadtpark gehen, Sie müssen mir unbedingt von Ihren Plänen erzählen, ich möchte mir von Ihnen ein genaues Bild machen, bevor wir uns ein bisschen näherkommen.«
’Meine Güte, was läuft denn hier für ein Film ab, ich schau mich mal vorsichtig um ob hier irgendetwas auf die versteckte Kamera hindeutet oder ob sonstwas Außergewöhnliches vorgeht.’
»Jetzt sollten Sie aber auch etwas von sich erzählen, Herr Schulze.«
’Herr im Himmel, sie hält mich für einen Herrn Schulze, wie komme ich anständig aus dieser Nummer heraus?’
In diesem Moment ertönte, engelsgleich, hinter mir die Stimme meiner Frau: »Hallo Schatz, wie ich sehe hast du in deiner Wartezeit ja nette Unterhaltung gehabt, die Zeit ist dir mit Sicherheit nicht lang geworden?«
»Nein», erwiderte ich, »als ich kam stand grade ein Herr auf, feuerte mit den Worten … »die können Sie haben«, die Zeitung auf den Tisch und einige Zeit später kam diese nette Dame und unterhielt sich mit mir …«
Vom Tisch aufstehend legte ich kurz den Finger auf die Lippen, ein Lächeln, eine Verbeugung und am Arm meiner Frau verließ ich eine verwirrte, leicht errötende Irene, Nachname unbekannt.