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RE: Das MeaLittera-Blog
in Buchverlegung, Fragen,Tipps, Erfahrungen 27.05.2010 20:11von HaraldHerrmann • | 5.339 Beiträge
Hier der Artikel im MeaLittera-Blog
Das MeaLittera-Blog
Dieses Blog dient dem Meinungsaustausch von Autoren, Verlagen und Lesern. Neue Literatur entsteht jeden Tag. Doch der Weg von der Idee zum Buch und seiner erfolgreichen Vermarktung ist nicht immer einfach. Dies ist ein Forum für Ihre Erfahrungen und Ihre Erwartungen.
Freitag, 21. Mai 2010
Der Bestseller–Teufelskreis – eine Analyse
Bis auf wenige Ausnahmen und Phänomene à la „Harry Potter“, von denen die Buchbranche auf Dauer nicht leben kann, entsteht ein Bestseller nicht alleine dadurch, dass der Text gut genug ist, verlegt und im Buchladen ausgelegt wird. Vielmehr ist ein Bestseller das Ergebnis des Zusammenspiels von Bekanntheitsgrad des Autors und des Verlags, Aktualität des Themas, Presse, Werbung und – nicht zuletzt – des Buchhandels: Nur Bücher, für die der Buchhandel flächendeckend Sichtkontakt des Käufers zum Buch herstellt und für die er das Label „Bestseller“ nutzt, bekommen erst die Chance, in Massen verkauft zu werden.
Bücher, die heute als Bestseller gelten, wurden oft vorher großflächig als solche bezeichnet, noch lange bevor sie sich gut verkauften. Man denke z.B. an die Macht von Listen wie „Spiegel-Bestseller“ oder „Focus-Bestseller“. Es gibt viele Leser, die mit diesen Listen in der Hand in eine Buchhandlung kommen, um nach dem Ort zu fragen, wo nur diese „Bestseller“ ausliegen, ohne im Vorfeld ein solches Buch in die Hand genommen und hineingeblättert zu haben. Selten wissen diese Leser vorher, ob diese Bücher tatsächlich nach ihrem Geschmack sind, oder nach dem Geschmack derer, für die sie diese Bücher vielleicht als Geschenk einkaufen wollen.
Weil der Buchhandel die Macht des Wortes „Bestseller“ als erster positiv zu spüren bekommt, ist es aus Effektivitäts- und Wirtschaftlichkeitsüberlegungen heraus nur verständlich, dass die Breite des Sortiments darunter leidet. Denn es scheint ertragsreicher zu sein, wenige „Bestseller“ im Angebot zu haben als viele „Ladenhüter“. Was aber zweifelhaft ist, ob diese „Ladenhüter“ wirklich so schlecht sind, oder es einfach nur nicht in die „Bestseller-Listen“ geschafft haben, damit ihre Verkaufszahlen entsprechend nachziehen können.
So ist im Buchhandel eine immer stärkere Fokussierung auf „Bestseller“ zu beobachten – und diese führt unweigerlich zu einem für Autoren, Verlage und letztendlich auch Buchhändler selbst verhängnisvollen Teufelskreis, der drei Bausteine hat.
Wir fangen mit dem ersten Baustein an. Zunächst einmal kann nur ein Bruchteil der Verlagsprodukte im Buchhandel untergebracht werden – mit fatalen Folgen für den produzierenden Buchhandel. Überlebensfähig sind vor allem große Verlage, die bereits etabliert und viele „Bestseller-Autoren“ unter Vertrag haben. Doch die Vertreter einer großen Mehrheit von Verlagen werden immer seltener vom Buchhandel gerne gesehen, man sagt ihnen dort, ihre Neuerscheinungen erst dann prüfen zu wollen (wohl gemerkt prüfen, nicht ins Sortiment nehmen), wenn sie bei Barsortimenten gelistet sind. Bei den Barsortimenten bescheinigt man ihnen, nicht gelistet zu werden, weil „ihre Verlagstitel kein Marktpotential“ besäßen. Schafft es ein Verlag dennoch, in einem Barsortiment gelistet zu werden, bestellen die Barsortimente nur dann beim Verlag, wenn die Nachfrage der Buchhandlungen – und also letztendlich die Lesernachfrage groß genug sind. Dies geschieht allerdings in der Regel nur dann, wenn das Buch in der Tagespresse und renommierten Zeitschriften oder anderen Massenmedien besprochen wird.
Wenn das Buch nicht gerade ein Jahrhundertphänomen wie „Harry Potter“ ist und wenn der Autor unbekannt und kein Prominenter ist und das Buch keinen Literaturpreis gewonnen hat, sind aber Pressebesprechungen ohne ein entsprechend aufgestocktes Werbeetat und regelmäßig geschaltete Anzeigen des Verlages, die so viel wie ein kleiner PKW kosten, fast unmöglich. Über diese Mittel verfügen kleine und spezialisierte Verlage gewöhnlich nicht. Ihre Buchkalkulation sieht dann oft so aus: 50% Buchhändlerrabatte, 40% Herstellungskosten (da größere Auflagen, um die Herstellungskosten pro Stück nach unten zu drücken nicht finanzierbar oder ganz einfach nicht absetzbar sind), 10% für Autorenhonorar, Werbung und Verlagsgewinn – und das alles hinter dem Vorzeichen, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit absehbar ist, dass ihre Bücher keinen flächendeckenden Sichtkontakt zum Endkunden haben werden. Die Chance also, jemals die Deckungsauflage zu erreichen, d.h. genügend Bücher zu verkaufen, um nach Deckung aller Herstellungskosten, Provisionen, Werbungskosten und Honorare eigenen Verlagsgewinn zu vereinnahmen, ist äußerst gering.
Es liegt deshalb auf der Hand, – und das ist der zweite Baustein des Bestseller-Teufelskreises – dass durch diese Konstellation auch immer mehr Autoren größte Schwierigkeiten haben, einen Verlag zu finden, der bereit wäre, ihr Buch herauszubringen, wenn der Autor noch ein Debütant oder nicht prominent genug ist. Zu groß einfach ist dann das Verlagsrisiko, auf den Büchern sitzen zu bleiben. Beim heutigen Bestseller-Wahn haben nur Bücher bereits bekannter Autoren oder von Prominenten gute Marktchancen. Diese Autoren wenden sich – wie fast alle Autoren – in der Regel zunächst an die großen und etablierten Verlage und werden dort selbstverständlich unter Vertrag genommen, wenn sie es nicht bereits sind.
Aus dieser Misere sind unter den kleinen Verlagen viele so genannte Zuschussverlage entstanden, die vom unbekannten Autor eine Mitfinanzierung der Buchproduktion verlangen. Weil es darunter auch viele unseriöse Angebote gibt und die Autoren häufig gnadenlos über den Tisch gezogen werden, lehnen viele Autoren eine solche Mitfinanzierung zu Recht ab. Schließlich verlegen viele verzweifelte Autoren ihr Werk im Selbstverlag – mit vergleichbar mäßigem Markterfolg.
Nun kommen wir zum letzten Baustein unseres Bestseller-Teufelskreises – der selbst gewollten Abhängigkeit des verbreitenden Buchhandels von den Bestsellern. Der Buchhandel setzt sich durch die Reduktion seines Sortiments auf nur wenige Titel, die dann in Massen aufgelegt werden, zunehmend selbst unter Verkaufsdruck und der Gefahr von Volatilität aus. Denn das Zusammenspiel zwischen Diversifikation und Risiko ist auch in der Finanzbranche wohlbekannt – je weniger Produkte, desto größer die Gefahr, dass der Umsatz eines einzelnen alle anderen zu tragen vermag. Bleiben Bestseller temporär aus, was in der Natur der Sache liegt, brechen gleich große Umsatzanteile im Buchhandel einfach so weg.
Was bleibt, ist die Suche nach dem Schuldigen. Dieser wird oft im kaufenden Leser gefunden. Doch der kann nur das kaufen, was im Angebot ist.
Wir sind an Ihrer Meinung zu diesem Thema interessiert und bitten um Beiträge zu diesem Post.
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