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Krankenhausfahrt, eine fast wahre Geschichte

in Prosa/Kurzgeschichten 23.05.2020 10:38
von HaraldHerrmann | 5.339 Beiträge

Krankenhausfahrt, eine fast wahre Geschichte

Anja ist 53 Jahre alt, langzeitarbeitslos und, da ihr Gatte "genug" verdient, erhält sie auch keine "Stütze". Das heißt für sie im Klartext, dass die Familie auf Hartz 4-Niveau lebt, sie aber noch nicht einmal den wöchentlichen "Fresskorb" an der örtlichen Tafel abholen kann. Zum Glück hatte ihre Mutter ihr einen Personenbeförderungsschein finanziert und sie kann ab und an in einer Firma Kurierfahrten machen, durch diesen Schein auch Krankenfahrten. Eine einfache Fahrt in die nächste Großstadt bringt dann schon mal ca 30,00 € zusätzliches Haushaltsgeld, manchmal springt sogar ein Fünfer Trinkgeld heraus!.

Gestern aber hatte sie die "Arschkarte" gezogen, obwohl sich alles so gut anließ. Ihre Chefin schickte sie mit einem Patienten in die Stadt, von dem sie nicht wußte, ob er dort bleiben musste oder zurückgebracht würde. Sie ließ Anja mit der Aussage losfahren: »Du setzt ihn ab und machst dann zwei Stunden frei, bis dahin klärt sich, ob er mit zurück fährt oder nicht!«

Als Anja an besagter Abholadresse ankam stand dort der Patient, seine Frau, der Hund und diverse Gepäckstücke, Decken, Kissen usw. Die Ehefrau übernahm sofort das Kommando: »Mein Mann kommt auf die Rückbank, warten sie, ich polstere alles und decke ihn zu, sie können derweil das Gepäck einladen, wir wissen ja nicht, ob er dableibt oder wieder zurück kommt!«

Nachdem alles wohl verstaut war setzte sich die Ehefrau auf den Beifahrersitz, rief: »Pfiffi komm«, und wartete mit dem Hund auf dem Schoß, dass Anja losfuhr. Auf Anjas Einwand, dass sie nicht im Begleitschein eingetragen sei meinte sie nur, das hätte seine Richtigkeit. Im Krankenhaus angekommen ordnete sie an, Anja könne schon mal wegfahren, man würde in der Firma anrufen, wenn es mit der Rückfahrt soweit wäre und um den Hund möchte sie sich so lange kümmern! Sie könne ja auch so gegen drei Uhr wiederkommen, da sei man sicher fertig.

Anja zog mit Hund am langen Arm durch die Innenstadt, an Shopping war nicht zu denken, sobald sie den Köter irgendwo festband beschwerte sich dieser lautstark. Völlig entnervt kam sie gegen drei Uhr am Parkplatz an, wo Frau Schneider schon wartete.

»Mein Mann muss noch zu einer Abschlussuntersuchung, dann wissen wir, ob er mit zurück fährt oder hierbleibt. Ist ja auch ein wenig meine Schuld, der richtige Termin war gestern um 09:00 Uhr und nicht heute um 11:00. So, ich gehe jetzt wieder rein, bis später. Ach lassen sie meinen Hund noch ein wenig an der Leine laufen!«

Geschlagene zwei Stunden später kam sie zurück mit der Info, dass der Mann doch dableiben musste. Anja hatte zwischenzeitlich mit ihrer Chefin gesprochen und erkundigte sich, wie das nun mit dem Transportschein sei.

»Welcher Transportschein?«
»Nun der, der sie berechtigt, mit mir wieder nach Hause zu fahren, wenn sie den nicht haben oder schnellstmöglich beibringen, dann wird der Betrag ihnen in Rechnung gestellt.«
»Waaaas, ich soll noch mal bezahlen, wo sie doch sowieso zurückfahren müssen!«
»Das wohl, aber ganz nebenbei habe ich sechs Stunden gewartet und den Hund gesittet!«
»Na so eine Frechheit, sie wollen wohl an den armen Angehörigen ihren Schnitt machen?«

Anja fuhr los, zahlte am Parkplatzende die Gebühr von 9,80 € und wollte gleich von Frau Schneider die Parkgebühr kassieren.
Als die sich lautstark beschwerte, dann doch einen Zehn-Euro-Schein zückte und sich penibel die zwanzig Cent herausgeben ließ, da konnte es Anja nicht lassen, ihre Chefin anzurufen um zu fragen, wie das mit dem Transportschein sei. Sie gab deren Antwort, dass dieser Schein innerhalb drei Tagen nachgereicht werden müsste an die Beifahrerin weiter, völlig überzeugt, dass sie eh kein Trinkgeld bekommen würde.

Und so war es auch!

Jetzt warte Anja auf ihre Abrechnung, aber sie macht sich keine Hoffnung, dass mehr als dreißig Euro dabei herausspringen.

30 Euro für neun Stunden Arbeitszeit incl. Hundesitting.

Was sagte sie noch zu ihrer Chefin: »Und dann musst du dir noch anhören, dass wir alle Halsabschneider sind und nur auf ihr Geld aus!«

Ist der Tankstellenpächter auch
... und das Autohaus
... und das Finanzamt
... und die Versicherungen
... und vor allen Dingen die Fahrer, die die Frechheit besitzen, vom Fahrpreis ein Drittel als Lohn zu behalten, dreißig Euronen für neun Stunden Arbeit!




Um ein Ziel zu erreichen ist nicht der letzte Schritt ausschlaggebend, sondern der erste!
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