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#1

Die Panne

in Prosa/Kurzgeschichten 23.05.2020 09:43
von HaraldHerrmann | 5.339 Beiträge

Die Panne

Amalie bestieg wie jeden Samstagmorgen gegen fünf Uhr ihr "Rennschnitzel", den von ihrem Bruder getunten Opel Corsa. Auf grünem Grund, der Erstlackierung des Fahrzeuges, prangten verschiedene Obst- und Gemüseaufkleber, sozusagen ihr Frei-Park-Ticket am Wochenmarktplatz in Bornheim.
Sie ließ es mit der Fahrt langsam angehen, Udo, ihr alter Kumpel, dem sie jeden Samstag mit noch drei anderen aus der alten Clique zur Seite stand, wenn er seine selbst gezogenen Biowaren für die Stammkundschaft bereithielt, hatte ihr eingebläut, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen.

»So, wie ihr euch fühlt, so seht ihr auch aus - und ich möchte Leute am Verkaufsstand haben, die Zufriedenheit ausstrahlen!«

Zufrieden, ja, das war sie, fast allein auf der Autobahn in den neuen Tag fahrend, trommelte sie mit den Fingern den Takt mit, während sie begeistert den Text mitsang:
"It´s my life ..."

Das Unheil kam ohne große Vorwarnung, das Fahrzeug begann zu ruckeln, immer stärker und kaum, dass sie auf die Standspur gewechselt hatte, beendete ihr Auto die Fahrt mit drei, vier "Bocksprüngen" und dem folgenden abrupten Halten.

Missmutig sicherte sie ihren Veteranen und rief Udo - »Hi, es wird heute deutlich später, ich hab ´ne Panne« - und den ADAC an. Dort versprach man, dass der Fahrer mit Dienstantritt 6°° Uhr sofort zu ihr geschickt würde! Also zog sie sich ins Auto zurück, schloss die Türen und ließ sich von der Musik einlullen.

Ein kurzes Klopfen ließ sie aufschrecken, in Erwartung des ADAC-Engels leierte sie die Seitenscheibe herunter und blickte in das freundliche Gesicht eines jungen Mannes.
»Ich habe sie hier halten sehen, kann ich ihnen irgendwie weiterhelfen?«
»Danke für ihre Hilfsbereitschaft« - kurzer Blick zur Uhr - »aber in spätestens zwanzig Minuten kommt ein hilfsbereiter gelber Engel und ich fürchte, der muss mich abschleppen. Also, vielen Dank noch mal, das finde ich sehr nett!«
»Na, dann will ich mal weiterfahren ...«
Mit diesen Worten wollte sich der Unbekannte aufrichten, sie konnte es überdeutlich sehen, er stand in der sich nähernden gleisenden Lichtfülle eines heranbrausenden Lkw, Bremsen quietschten, ein dumpfer Schlag und der Platz neben dem Auto war leer ...

Amalie saß regungslos im Sitz, ihre Hände verkrampften sich am Lenkrad. Der leere Platz neben der Tür und der schräg stehenden Lkw, an dem zu den immer noch leuchtenden Bremslichtern die Warnblinker aufflammten, diese beiden Bilder brannten sich in ihr Gehirn. Sie begann am ganzen Körper zu zittern, mit der Erkenntnis dessen, was sie grade erlebt hatte, löste sich dann ein Schrei, der nichts Menschenähnliches an sich hatte, aus ihrer Kehle und sie brach zusammen!

Amalie spürte ein leichtes Schaukeln, bemerkte trotz geschlossener Augen, dass eine Beleuchtung vorhanden war, versuchte sich zu erinnern und sah verschwommen ein Gesicht, einen lächelnden jungen Mann, aus dessen Augen plötzlich grellrotes Licht auf sie zuschoss. Panisch versuchte sie sich aufzurichten, wurde aber daran gehindert. Sie bemerkte, dass sie festgezurrt auf einer Trage im Innern eines Krankenwagens lag. Im selben Moment setzte die Erinnerung wieder ein und traf sie wie ein Keulenschlag!
»Was ... wer ... der junge Mann ... was ist mit ...?«
Als der Notarzt mit kummervoller Miene den Kopf schüttelte, begann sie still zu weinen, bis sie wieder von Dunkelheit eingehüllt wurde.

Vier Tage später stand ihr der härteste Weg bevor, sie ließ sich von den Ärzten auf eigenen Wunsch entlassen und von Udo zur Beerdigung fahren ...




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