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Die Kartoffellegemaschine

in Prosa/Kurzgeschichten 24.08.2014 12:59
von HaraldHerrmann | 5.339 Beiträge

Die Kartoffellegemaschine.

Als Kind in der Landwirtschaft aufgewachsen erinnere ich mich noch gut an die Mühen der Bauern bei der Feldbestellung kurz nach Ende des zweiten Weltkrieges. Es war für uns als Kleinkinder selbstverständlich, dass zum morgendlichen Frühstück Vater, Mutter und Opa aus dem Stall kamen, wo schon die ersten Arbeiten erledigt worden waren. Das Vieh war versorgt, hatte zu Fressen bekommen, der Mist war entfernt, frisches Stroh ausgeschüttet und die Kühe gemolken. Opa hatte Pferde und Hühner versorgt und kam mit den frisch gelegten Eiern um sie im Keller zu deponieren.

Zweimal die Woche kamen Marktbeschicker aus dem Nachbarort mit einem Dreiradauto um den Bauern die überzähligen Eier abzukaufen und so der Stadtbevölkerung wirklich frische Eier anbieten zu können. Und wehe, man drehte denen alte Eier an, dann war das Zusatzgeschäft "im Eimer".

In der Zeit,in der die anderen draußen ihre Arbeit verrichteten hatte Oma "Kaffee" gekocht, teilweise selbstgeröstetes Getreide, zugekaufter "Lindes" und - an hohen Feiertagen - auch manchmal ein Löffelchen oder mehr echter Kaffee. Wir Kinder wurden von ihr angezogen und harrten auf der Küchenbank hinter je einem Humpen heißer Milch der Erwachsenen.

Während des Frühstücks wurde dann der Tagesablauf besprochen, je nach Jahreszeit vorgegeben von der anfallenden Saisonarbeit. Wenn es dann aufs Feld ging wurden wir Kinder, sofern es die Witterung zuließ, mitgenommen und von klein auf auch den Fähigkeiten entsprechend in die Feldarbeit eingebunden.

Eine Narbe in der Innenhand erinnert mich heute noch daran, wie ich als knapp dreijähriger Knirps in Begleitung der Eltern mit einer Minihacke bewaffnet zu einem knapp 300 Meter entfernten Ackerstück unterwegs war, stolperte und an der scharfen Hacke einen tiefen Schnitt zuzog. Es wurde ein gefaltetes Taschentuch daraufgedrückt,mit einem zweiten verbunden und weiter ging es - Arzt, nähen, klammern, Tetanusspritze? - Fehlanzeige! Ach ja, dieses Feld wurde von den Männern der Familie in den späten Abendstunden oder frühen Morgrnstunden sporadisch kontrolliert, wuchsen dort doch so heißbegehrte Pflanzen wie Tabak, Mohn, Kürbis undwasweißichnochmehr.

Nun, an die Anfänge des Kartoffellegens kann ich mich noch einigermaßen erinnern. Auf unserem kleinen Hof war immerhin eine Kombimaschine vorhanden, pferdegezogen, mit dieser Maschine wurden zwei kleine Furchen gezogen in denen dann ein mitlaufendes Schaufelrad zusätzlich kleine Löcher schaufelte. Mein Opa zog unverdrossen seine Bahnen, der Rest der (Groß)familie lief mit umgehängten Säcken, in denen sich die Saatkartoffeln befanden die Reihen ab und legte diese in die Löcher hinein.

War Opa mit dem Löcher buddeln fertig, wurde umgerüstet, es kamen drei so genannte "Häufelschare" daran und nun wurden die Kartoffeln "zugehäufelt", es entstanden die typischen Reihen.

Man kann sich vorstellen wie arbeits- und zeitaufwändig diese Art der Feldbestellung war und dass die Hersteller von landwirtschaftlichen Geräten mit allen Kräften daran arbeiteten, immer wieder neue Landmaschinen zu entwickeln.

Andererseits gab es auf den Dörfern auch pfiffige Bauern und technisch sehr versierte Schmiedemeister mit handwerklichem Geschick und einem guten Blick für das Machbare. (Legendär sind die Vorrichtungen, die in solchen Schmieden zum Schwarzbrennen zusammengeschraubt wurden!)

Nun hatte sich in einem Nachbarort ein Bauer folgendes überlegt:" Wenn ich nun mit einer Maschine gleichzeitig Furchen ziehe, in einem gewissen Abstand Kartoffeln hineinfallen lasse und gleich wieder zuhäugfele, dann habe ich mir sehr viel Arbeit erspart!"

Man rüstete die vorhandene Maschine um, es kam ein Sitzbrett hizu und dann ging es los:

Auf diesem - von zwei Pferden gezogenen - Gefährt saßen zwei Personen und warfen (laut "eins zwo" zählend) die Sattkartoffeln in die gezogenen Furchen, die sofort wieder zugehäufelt wurden. Die Maschine war eine kleine Sensation, wurde begutachtet, ausgeliehen und von vielen nachgebaut. Alle fanden das Gerät super, nur der "Erfinder" nicht.

Der hatte sich eine ausgediente Sämaschine besorgt und bis auf die Räder incl. dem dort angebrachten Getriebe und den Tragrahmen entkernt.

Es wurden an der Hebe und Senkvorrichtung der Tragrahmen für die Furchenzieh und Häufelschare befestigt, und Teleskoprohre führten zu einem tellerförmigrn Teil mit einem Loch über dem Teleskoprohr. Ein vom Antriebsrad in Bewegung gesetztes Umlenkgetriebe ließ dort Schaufelräder laufen, über denen Trichterförmige Behälter angebracht waren , die am unteren, schmalen Ende grade mal einer Kartoffel Platz ließen zum Durchrutschen und die dann vom Schaufelrad zum Loch über dem Teleskoprohr geschoben wurde und dort hineinfiel.

Nun kam noch eine Sitzmöglichkeit für eine Aufsichtsperson dazu, man musste immer mal Kartoffeln nachwerfen bzw. Staus im Trichter auflösen und schon konnte das Kartoffellegen beginnen.

Der erste erfolgreiche Arbeitseinsatz war eine Sensation, man strömte herbei, um dieses Wunderwerk zu bestaunen. Diesmal hatte der Schmied aber auch senem Landmaschinenhändler Bescheid gegeben, der meldete den erfolgreichen Start an seinen Hersteller und dieser war auch gleich vor Ort und erkannte sofort die Genialität der Maschine im Zeitalter der sich anbahnenden Umstellung auf Traktoren.

Man bot den Konstrukteuren eine für damalige Verhältnisse enorme Summe an und sicherte sich das Patent. Es wurden auch sofort die ersten Prototypen zum Anbau an den Traktor gebaut und getestet und als die Bauern auf Traktoren umstellten war diese Maschine der absolute Renner und für viele ein Hauptargument zum Traktorenkauf, die Urkonstruktion für den Pferdezug blieb ein Unikat.

Die Erfinder selbst haben sich später sehr geärgert, nicht mehr für das Patent bekommen zu haben, aber im Nachhinein waren sie dann doch froh, überhaupt eine Abfindung erhalten zu haben!

Wie es auch gehen kann zeigt die Geschichte mit den Abdeckplanen auf den Spargelfeldern. Entstanden als Schutz vor den letzten Nachtfrösten, mit der Überlegung der Zweifarbigkeit - bei kühlem Wetter schwarz oben, bei wärmerem weiß - hatte ein pfiffiger Mensch entdeckt, dass diese Technik nicht zum Patent angemeldet war, dies nachgeholt - und lässt sich nun von den eigentlichen Erfindern, den Spargelbauern, Nutzungsgebühren zahlen!




Um ein Ziel zu erreichen ist nicht der letzte Schritt ausschlaggebend, sondern der erste!
zuletzt bearbeitet 07.06.2020 12:14 | nach oben springen


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